Position des Deutschen Schaustellerbundes e. V. zu kommunalen Verpackungssteuern - Ausnahmen für Volksfestplätze und Weihnachtsmärkte


Nachdem die Tübinger Verpackungssteuersatzung vor einigen Wochen vom Bundesverfassungsgericht für verfassungskonform erklärt wurde, bezieht der Deutsche Schaustellerbund e.V. Stellung und spricht sich klar für Ausnahmen auf Volksfestplätzen und Weihnachtsmärkten aus.
Blickt man in das Tübinger Modell, erkennt man, dass mit § 3 Punkt 2 für Märkte und Feste eine Ausnahme von der Erhebung der Steuer gemacht wird, „sofern der Endverkäufer insgesamt an nicht mehr als zehn Tagen im Jahr Speisen und Getränke im Satzungsgebiet verkauft.“
Ohne die genauen Motive des Satzungsgebers zu kennen, darf vermutet werden, dass ihn folgende gute Argumente – die wir für uns in Anspruch nehmen – zu dieser Ausnahmeregelung bewogen haben:
Der Grundsatz: Die (Lenkungs-)Steuer will den „typischen Fall des örtlichen Verbrauchs erfassen“, so das Bundesverfassungsgericht, und damit „Speisen und Getränke, die in der Regel unmittelbar nach dem Erwerb verbraucht werden, weil sich ihre für die Verzehrqualität maßgebliche Temperatur, Konsistenz oder Frische schon nach kurzer Zeit nachteilig verändert“.
Die typische Situation ist damit der hungrige Passant, der nicht das Budget für ein Restaurant, nicht die Zeit für „eat-in“ oder einfach keine Lust hat, sich niederzulassen. Er kauft sich seine Bockwurst, Bratwurst, Pommes, Burger, Pizza etc., isst sie im Gehen – und entledigt sich dann seines Abfalls.
Noch typischer: der Kaffee „to go“ auf dem Weg ins Büro – ca. 2,8 Milliarden Mal pro Jahr allein in Deutschland.
Der Endverkäufer gibt hier also Einwegverpackungen ab, die außerhalb seines Bereichs (Mülleimer am Geschäft) weggeworfen werden. Entweder in kommunale Mülleimer oder in die Natur, beides zu Lasten der Gemeinschaft. DAS ist die klassische Situation!
Die Ausnahme: Auf den Volksfesten und Weihnachtsmärkten ist die Situation eine ganz andere.
Wer sich hier seine Churros oder Kartoffelpuffer, sein Fischbrötchen oder seine Champignons bestellt, isst sie am Stand selbst oder im vielfältigen, bunten Treiben auf dem Platz. Man entsorgt die Verpackung anschließend in einem der vielen dortigen Mülleimer, die mehrmals täglich geleert werden. Der Müll wird fachgerecht entsorgt, der Platz gereinigt. Hier – also auf Plätzen mit hoher Aufenthaltsqualität, die man ja gerade auch aufsucht, um dort etwas Kirmestypisches zu essen – eine Steuer auf Verpackungen zu erheben, ginge am Regelungsziel vorbei.
Zudem: Die Entsorgung des hier anfallenden Mülls und die Reinigung gehen nicht zu Lasten der Allgemeinheit oder der veranstaltenden Kommune, sondern in der Regel zahlen die Schausteller dies in vollem Umfang über ihre Standgelder.
Eine auf dem Festplatz geltende Steuer würde also eine doppelte, ja sogar dreifache Inanspruchnahme der Beschicker darstellen:
Denn seit dem 1. Januar 2024 wird für alle Einwegverpackungen zudem eine Abgabe in den Einwegkunststofffonds erhoben, aus dem die Kosten für die Abfallbewirtschaftung in öffentlichen Sammelsystemen sowie für die Reinigung des öffentlichen Raums bestritten werden.
Selbstverständlich: Es gibt Gäste, die sich einen Liebesapfel, ein Lebkuchenherz oder kandierte Weintrauben für Menschen zu Hause kaufen, denen sie eine Freude bereiten wollen. Aber dann wird diese Verpackung auch im vom Gast/Kunden finanzierten Hausmüll entsorgt.
Zum Preis: Tübingen berechnet für jedes Geschirrteil 0,50 €, für jedes Besteck 0,20 €.
Diese Kosten würden – gäbe es dort die Ausnahme nicht – die meisten Schausteller und Schaustellerinnen auf ihre Preise aufschlagen müssen, denn die Margen sind angesichts der Preissteigerungen der letzten Jahre leider sehr gering geworden. Alle Zahlen und Fakten zur Schaustellerbranche finden Sie im Fact-Sheet der aktuellen DSB-Wirtschaftsstudie.
Eine auf dem Festplatz/Markt geltende Verpackungssteuer ginge also zu Lasten der Gäste und würde damit dem Ziel vieler Akteure (übrigens auch dem des Bundesgesetzgebers), den Besuch auf Volksfesten und Märkten für alle erschwinglich zu halten, zuwiderlaufen.
Weiterhin möchten wir den enormen, bürokratischen Aufwand zu bedenken geben, den die Kommunen den reisenden Gastronomen und Händlern, aber auch sich selbst zumuten würden, wenn es keine Ausnahme gäbe. Jeder Endverkäufer auf der Kirmes oder dem Weihnachtsmarkt müsste eine Steuererklärung abgeben und damit Rechenschaft über einen Zeitraum ablegen, der nicht das ganze Jahr, sondern eben nur ein paar Tage oder wenige Wochen beträgt. Dies gilt dann auch für Reisende, die dort nur gastieren, vor Ort also weder steuer- noch melderechtlich überhaupt registriert sind. Wir ahnen, dass eine solche Praxis gerade dem entgegenläuft, was doch längst überfällig ist: Abbau von Bürokratie!
Ganz klar: Auch die Schausteller und Schaustellerinnen fühlen sich dem Schutz und Erhalt unserer Umwelt verpflichtet. Überall dort, wo es möglich und sinnvoll ist, setzen sie schon seit Jahren Mehrweggeschirr ein, nutzen kompostierbare Materialien oder verzichten mit der Bratwurst im Brötchen komplett auf Verpackung.
Weiter geblickt: Der Einsatz stromsparender Technik im Bereich der Beleuchtung (LEDs), Antriebsaggregate, Kühlungen usw. ist längst Standard auf Volksfesten und hat zu einer sukzessiven und relevanten Reduzierung des Energieverbrauchs geführt. Über den Stand der Nachhaltigkeit auf hiesigen Volksfesten informiert das neue DSB-Erklärvideo.
Nach alledem mahnen wir an, kein neues Bürokratiemonster zu erschaffen – und bei eventuellem Erlass einer solchen Steuer den Bereich der Märkte und Feste auszunehmen.
In Tübingen, wo der Weihnachtsmarkt nur drei Tage dauert, beträgt die Befreiung zehn Tage. Anderenorts sollte sie ebenfalls im Einklang mit den entsprechenden, aber meist längeren Veranstaltungszeiten stehen.