74. Delegiertentag: Größtes Schaustellerparlament seit über 25 Jahren stellt Weichen für die Zukunft


Der Delegiertentag des Deutschen Schaustellerbundes ist die zentrale Jahresversammlung der deutschen Schaustellerinnen und Schausteller. Vom 17. bis 20. Januar 2025 fand in der Freien und Hansestadt Hamburg die 74. Sitzung des deutschen Schaustellerparlaments statt. Meinungsaustausch, Beratung und Diskussion aktueller Herausforderungen und Themen sowie die gemeinsame Erarbeitung von Lösungsansätzen im großen Schaustellerplenum bildeten traditionell die Grundpfeiler des Jahrestreffens. Darüber hinaus standen in diesem Jahr die Wahlen des Präsidiums und der Fachberater gemeinsam mit der Besprechung und Abstimmung von Anträgen sowie Ehrungen auf der Tagesordnung. Die Organisation der Tagung lag in den Händen des Schaustellerverbandes Hamburg von 1884 e.V. Das Team um den 1. Vorsitzenden Robert Kirchhecker hieß seine Gäste mit dem Motto des 74. Delegiertentages „Tradition und Fortschritt“ in der Elbmetropole herzlich willkommen.
Nach der feierlichen Großkundgebung des 74. DSB-Delegiertentages, bei der sich u. a. Bundeskanzler Olaf Scholz in einer Ansprache an die Schaustellerinnen und Schausteller wandte und über die aktuellen politischen Herausforderungen der Branche sprach, tagten an den beiden Folgetagen die Delegierten der 91 DSB-Mitgliedsverbände im Congress Center Hamburg. Die Anzahl der Teilnehmenden war wohl auch aufgrund der langen Liste der zu erörternden Schaustellerthemen so groß wie seit über 25 Jahren nicht mehr – über 420 Delegierte reisten aus ganz Deutschland an, um dem größten Schaustellerplenum der Welt anzugehören.
Zunächst begrüßte Dr. Melanie Leonhard, Senatorin für Wirtschaft und Innovation, gemeinsam mit Robert Kirchhecker den Deutschen Schaustellerbund in Hamburg, bevor Bethel Thelen, Erster Vorsitzender des Paderborner Schaustellervereins e.V., zusammen mit dem Paderborner Bürgermeister Michael Dreyer in Begleitung der traditionellen Jubelhennesse die Schaustellerverbände freudig und unter großem Applaus zum nächsten, dem 75. Delegiertentag 2025 in die Paderstadt nach Nordrhein-Westfalen einlud. Im Anschluss daran hielten die Anwesenden inne und gedachten mit emotionalen Worten der Schaustellerseelsorger Pfarrer Thorsten Heinrich und Pfarrer Martin Fuchs sowie einem anschließenden gemeinsamen Gebet derer, die im vergangenen Jahr verstorben waren.
Bericht des Hauptgeschäftsführers
Zu Beginn seines Berichts konnte DSB-Hauptgeschäftsführer Frank Hakelberg die Verunsicherung ausräumen, die im Anschluss an das nur wenige Tage zuvor vom Bundesverfassungsgericht gefällte Urteil zur Übertragung höherer Polizeikosten auf Veranstalter bei Hochrisikospielen im Profifußball unter den Mitgliedern entstanden war. Bereits in den Fachgruppensitzungen am Vortag hatten die Delegierten darüber diskutiert, ob Volksfeste von dem Urteil betroffen sein könnten. Hakelberg stellte klar, dass dies nicht der Fall sei und begründete dies damit, dass das Veranstalten von Volksfesten weder gewinnorientiert sei noch eine Gefahr von ihnen ausgehe, die auch nur annähernd an die heranreiche, die von Fußballspielen ausgehe, zu denen seit Jahren verfeindete Fangruppierungen mit der klaren Absicht anreisen, ihre Rivalitäten nicht nur auf dem Platz auszutragen. Er erinnerte ergänzend und damit im Nachgang auch zur Magdeburger Tragödie auf ein Gutachten von Prof. Dr. Christian Pielow, das bestätigt, dass das Gewaltmonopol beim Staat liege. Ihm allein obliegt es, Angriffe auf uns, unseren Staat und unsere Art, miteinander Feste zu feiern, abzuwehren.
Im Anschluss ging DSB-Hauptgeschäftsführer Frank Hakelberg auf die neuesten wirtschaftlichen Entwicklungen der Branche ein. Nach der Veröffentlichung der DSB-Wirtschaftsstudie 2023 im vergangenen Jahr liegt nun auch die daran anknüpfende aktuelle DSB-Weihnachtsmarktstudie des ift Tourismus- und Freizeitberatungsinstituts vor. Die Ergebnisse belegten eindrucksvoll die anhaltende Attraktivität der Weihnachtsmärkte: Mit 170 Millionen Besuchern im Jahr 2024 wurde ein neuer Rekord aufgestellt. Noch nie zuvor waren so viele Gäste auf deutschen Weihnachtsmärkten. Gemeinsam mit den ebenfalls gestiegenen Besucherzahlen auf Volksfesten zeigt sich damit ein klares Bild: Volksfeste und Weihnachtsmärkte erfreuen sich wachsender Beliebtheit und sind fester Bestandteil der deutschen Kultur und Freizeitgestaltung.
Zum Bericht des Hauptgeschäftsführers gehörte auch ein Rückblick auf die politische Verbandsarbeit und damit einhergehende Entwicklungen auf Bundes- und Landesebene. Besonders beim Thema Gestattung für reisende Gastronomiebetriebe habe der DSB dank überzeugender Argumente große Fortschritte erzielen können und zwei weitere Bundesländer – Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein – von der Abschaffung bzw. Änderung der bisherigen Gestattungspraxis überzeugt.
Auch das Thema Bargeld war im vergangenen Jahr Gegenstand intensiver Diskussionen. Im Rahmen des Bundesbank-Projekts „Bargeld der Zukunft“ vertrat der DSB als „Bargeldbastion“ die Interessen des reisenden Gewerbes und positionierte sich gemeinsam mit Verbraucherschutz- und Sozialverbänden klar für den Erhalt von Bargeld. Hakelberg machte deutlich, dass Bargeld für die Schaustellerbranche unverzichtbar bleibe, da die notwendige digitale Infrastruktur auf Volksfestplätzen vielerorts nicht gewährleistet sei. Neben wirtschaftlichen und praktischen Aspekten unterstrich er auch die gesellschaftliche Bedeutung des Bargelds: Es stehe für Selbstbestimmung und Freiheit und Unabhängigkeit – und es bewahre Traditionen, wie den Kirmestaler, den die Oma der Enkelin alljährlich für den Besuch des Volksfestes in die Hand drückt.
Dass der DSB und seine Mitglieder beim Thema Nachhaltigkeit und Arbeitsschutz nicht stehen bleiben, sondern kontinuierlich an Verbesserungen arbeiten, zeigte sich in den neu produzierten und im Schaustellerplenum erstmalig vorgeführten Informationsvideos. Philip Traber, Nachhaltigkeitsbeauftragter des DSB, präsentierte ein neues Video, das das nachhaltige Wirtschaften von Schaustellerbetrieben, aber auch die ökologischen Vorteile der Veranstaltungen selbst zum Gegenstand hat, während Robért Hempen, Beauftragter für Arbeitsschutz, die ersten beiden Videos der Kampagne „Vision Zero“ vorstellte. Diese sind der Auftakt einer sechsteiligen Reihe, die verschiedene Aspekte des Arbeitsschutzes für Schaustellerbetriebe anschaulich und praxisnah vermittelt.
Bericht des Vizepräsidenten für Organisationsfragen
Vizepräsident Andreas Horlbeck berichtete zunächst von den Vorbereitungen der zweitgrößten jährlich anstehenden Verbandstagung, der nunmehr 190. Jahreshauptversammlung, die am 26. Juni 2025 im Welcome Hotel in Darmstadt stattfinden und vom Darmstädter Schaustellerverband e.V. veranstaltet wird.
Im Rahmen des Berichts des Vizepräsidenten für Organisationsfragen bewies sich einmal mehr die große Stärke und Geschlossenheit des Deutschen Schaustellerbundes, als sowohl der Schaustellerverband des Landes Bremen e.V. in Person des Vorsitzenden Rudolf Robrahn jun., der Süddeutsche Verband reisender Schausteller und Handelsleute e.V. in Person des Vorsitzenden Lorenz Kalb, der Schaustellerverband Berlin e.V. in Person des Vorsitzenden Michael Roden, der Schaustellerverband für die Region Harz und Heide e.V. in Person des Vorsitzenden Stefan Franz sowie der Schaustellerverein Bielefeld e.V., vertreten durch den Vorsitzenden André Schneider, unter großem Applaus des Plenums die Bereitschaft ihres jeweiligen Verbandes zur Veranstaltung des Delegiertentages 2027 (Bremen), 2028 (Nürnberg), 2029 (Berlin), 2030 (Braunschweig) und 2031 (Bielefeld) erklärten. Hier zeigte sich, dass die Entscheidung des DSB, die Ausrichtung dieser enorm wichtigen, aber auch kostenintensiven Treffen finanziell besserabzusichern, genau richtig war. Es ist nicht erinnerlich, wann zuvor schon die Bereitschaft so vieler Vereine bestand, die doch auch große Mühe auf sich zu nehmen, eine Delegiertentag auf die Beine zu stellen. Vizepräsident Horlbeck bedankte sich für dieses Engagement ausdrücklich, es sei ein Ausdruck der Vitalität des DSB.
Die Festlegung der Delegiertentage wurde von den anwesenden Vertreterinnen und Vertretern der Schaustellerverbände per Wahl bestätigt. Somit ist die Zukunft des größten Schaustellerparlaments in den kommenden Jahren beschlossen.
Bericht des Vizepräsidenten für Berufsfragen
Vizepräsident für Berufsfragen, Thomas Meyer, thematisierte in seinem Bericht die aktuellen Herausforderungen für Schaustellerbetriebe, insbesondere im Bereich Transport und Logistik. Auch der anhaltende Arbeitskräftemangel stelle viele Betriebe vor erhebliche Schwierigkeiten – insbesondere die Betreiber großer Fahrgeschäfte, die auf geschulte Mitarbeiter angewiesen seien, um ihre Anlagen sicher auf- und abzubauen und anschließend von einem Volksfest zum nächsten zu transportieren. Er betonte, dass der DSB nach Lösungen suche, neue Arbeitskräfte für die Branche zu gewinnen, um diese Prozesse zu erleichtern und den Betrieben eine langfristige Planungssicherheit zu ermöglichen.
Ein besonderes Anliegen war ihm das Thema Bildung, das er als „Kapital der Zukunft“ bezeichnete. Meyer unterstrich die große Bedeutung einer fundierten schulischen und beruflichen Ausbildung für die Schaustellerjugend, um die Schaustellerbetriebe auch in Zukunft erfolgreich aufzustellen. In diesem Zusammenhang verwies er auf eine wichtige Neuerung an den BeKoSch-Schulen, wo in diesem Jahr erstmals Kurse zum Arbeitsschutz angeboten werden, die gezielt auf die besonderen Anforderungen der Schaustellerbranche zugeschnitten sind. Dies sei ein bedeutender Schritt, um frühzeitig ein Bewusstsein für sichere Arbeitsabläufe zu schaffen und die nächste Generation bestmöglich auf ihre beruflichen Herausforderungen vorzubereiten.
Vizepräsident Meyer schloss seinen Vortrag mit dem Hinweis, dass er sich nach insgesamt acht Jahren als Vizepräsident für Berufsfragen nun nicht mehr zur Wahl stellen werde. Er dankte den DSB-Mitgliedern für das langjährige Vertrauen und seinen Präsidiumskollegen, den FachberaterInnen, der Hauptgeschäftsstelle und allen Verbänden für die konstruktive Zusammenarbeit. Als Anerkennung für sein Engagement erhielt er die Goldene Ehrennadel des Verbandes – eine Würdigung seiner langjährigen Verdienste für die Schaustellerbranche.
Bericht des Vizepräsidenten für Marketing
Vizepräsident für Marketing, Kevin Kratzsch, knüpfte in seinem Ergänzungsbericht an die erfolgreichen Marketinginitiativen des vergangenen Jahres an. Er blickte zunächst auf die zwei Tage vor dem Plenum stattgefundene Marketingsitzung im Rahmen des 74. Delegiertentags in Hamburg zurück, bei der über 200 Schausteller den Paneltalk mit den Social-Media-Experten und Influencern Emre Erde, Leon Klein, Marcel Mayr und Rebecca Kunikowski interessiert verfolgten und eigene Erfahrungsberichte einbrachten.
Auch auf die drei Social-Media-Sitzungen des vergangenen Jahres in Berlin, Hamburg und Augsburg sowie die online abgehaltene Diskussionsrunde zum Thema Social-Media-Marketing, die auf Wunsch der Delegierten während der Plenumsdiskussion des Delegiertentags 2024 in Düsseldorf ins Leben gerufen wurden, hielt Kratzsch Rückschau und freute sich über die Vielzahl der Schaustellerinnen und Schausteller aus ganz Deutschland.
Ein bedeutendes Social-Media-Projekt im vergangenen Jahr war die gezielte Influencer-Aktivierung auf Weihnachtsmärkten. Der Deutsche Schaustellerbund arbeitete 2024 mit den bekannten TikTok- und Social-Media-Influencern Nikaaabo und Jonas Moll zusammen, um zum einen aufzuzeigen, dass der Besuch auf Weihnachtsmärkten nicht teuer sei. Zum anderen sollte die Aktivierung die Sichtbarkeit der Traditionsveranstaltungen in den sozialen Medien erhöhen. Kratzsch erläuterte, dass die Influencer in ihren Videos mit einem Budget von 25 Euro zeigten, wie viel sich ein Gast auf dem Weihnachtsmarkt leisten könne – vom Glühwein über einen Crêpe bis hin zur Karussellfahrt und vielem mehr. Die Kampagne erwies sich als voller Erfolg: Während der Weihnachtsmarktzeit erreichten die Videos insgesamt 613.000 Personen und sorgten für breite Aufmerksamkeit.
Ein weiteres innovatives Projekt stellte Kevin Kratzsch mit dem Weihnachtsmarkt-Song der Sängerin Alina vor. Das Lied, das nach seiner Aufnahme ausschließlich auf Weihnachtsmärkten gespielt wurde, habe das Ziel gehabt, die Bedeutung der Märkte als Werbe- und Kommunikationsplattform mit Millionen von Besuchern herauszuarbeiten. Durch die Wiedererkennung vor Ort sollte eine gezielte Nachfrage erzeugt werden, die sich in der Anzahl der Streams widerspiegelt. Der Song wurde in vielen Schaustellerbetrieben auf Weihnachtsmärkten in ganz Deutschland gespielt, teils sogar über die Zentralbeschallung der Märkte. Bis zum Delegiertentag sei das Lied bereits 20.000-mal gestreamt worden. Die Erfolgsmessung sei langfristig angelegt, weshalb der Song auch in den kommenden Jahren fester Bestandteil der Weihnachtsmärkte bleiben solle.
Wie in jedem Jahr gab Kevin Kratzsch auch einen Einblick in die politischen Gespräche und die öffentlichkeitswirksame Arbeit des Verbandes. Ein besonderes Highlight war sein Impulsvortrag im Deutschen Bundestag, in dem er die erfolgreiche Durchführung von Volksfesten thematisierte. Zudem war der Deutsche Schaustellerbund auf zahlreichen politischen Sommerfesten in Berlin vertreten, um die zentralen Themen der Schaustellerbranche immer wieder mit den Entscheidungsträgern zu besprechen, darunter das PKM-Sommerfest, das Seeheimer Gartenfest und das Jahresfest der Hamburger Landesvertretung sowie erstmalig auch das Hessenfest und die Stallwächterparty. Auch der Bundesglühweinstammtisch zog zahlreiche Politiker sowie Social-Media-Experten und Influencer an, die in die Themen der Schaustellerbranche eintauchten.
Bericht des Vizepräsidenten für Finanzen
Vizepräsident Josef Diebold konnte auch auf seinem zweiten Delegiertentag als Vizepräsident für Finanzen positive Nachrichten verkünden, denn die Mitgliederzahl des DSB steigt stetig an. Im vergangenen Jahr verzeichnete der DSB 220 neue Mitglieder, seit 2019 ist die Mitgliederzahl sogar um 677 gestiegen. Das zurückliegende Haushaltsjahr konnte der DSB wie schon die Jahre zuvor mit einer positiven Bilanz abschließen. Besonders wichtig war Diebold, die Sicherheit zu gewährleisten, derer es zur Ausrichtung der Delegiertentage bedarf, hier arbeitete er im engen Schulterschluss mit Vizepräsident Horlbeck.
Ehrung verdienter Mitglieder und Dank an den Schaustellerverband Hamburg von 1884 e.V.
Im Rahmen des 74. Delegiertentages in Hamburg wurden auch in diesem Jahr verdiente Mitglieder unter großem Applaus für ihr langjähriges Engagement für die Schaustellerbranche geehrt. Johann Schängel Schneider wurde die höchste Auszeichnung des Deutschen Schaustellerbundes, die Goldene DSB-Ehrennadel mit Brillant, verliehen.
Mit der DSB-Ehrennadel in Gold wurden für ihre Verdienste um die Schaustellerbranche Manfred Pluschies, Ralf Pazdera, Karl Welte, Benno Fabricius, Wolfgang Lange, Konrad Ruppert, Thomas Meyer, Ernst Schau und Dieter Fehlauer ausgezeichnet.
Für seine langjährige Verbandstätigkeit erhielt Otto Cornelius die Ehrennadel in Silber.
Als Anerkennung für die erfolgreiche Ausrichtung des 74. Delegiertentages wurde dem Schaustellerverband Hamburg von 1884 e.V. die Ehrenurkunde verliehen.
Herzlichen Dank im Namen aller Schausteller und Schaustellerinnen an den Schaustellerverband Hamburg von 1884 e.V., die Schaustellerfrauen und die Schaustellerjugend für die hervorragende Organisation und Durchführung des 74. Delegiertentages!
Ausrichter der nächsten Delegiertentage
2026 Schaustellerverein Paderborn e.V., Sitz Paderborn
2027 Schaustellerverband des Landes Bremen e.V., Sitz Bremen
2028 Süddeutscher Schaustellerverband e.V., Sitz Nürnberg
2029 Schaustellerverband Berlin e.V., Sitz Berlin
2030 Schaustellerverband für die Region Harz und Heide e.V., Sitz Braunschweig
2031 Schaustellerverein Bielefeld e.V., Sitz Bielefeld